Apg 6,1-7: Die Sprengkraft sozialer Missstände und mangelnder Delegation
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Hintergrund
Hintergrund
Zu Pfingsten hatte der Herr sein Versprechen eingelöst und durch die Ausgießung des Heiligen Geistes die neutestamentliche Gemeinde aus der Taufe gehoben.
Mit großer Kraft verkündeten die Apostel das Evangelium, wobei der Herr sein Wort durch Zeichen und Wunder bekräftigte.
Tausende Juden bekehrten sich und ließen sich taufen.
Der erste Angriff des Widersachers kam von außen durch die religiöse Oberschicht der Juden, allen voran die Sadduzäer. Sie versuchten die Apostel einzuschüchtern und verboten ihnen, in dem Namen Jesus zu reden oder zu lehren. Aber sie ließen sich nicht einschüchtern, da ihnen klar war, dass man Gott mehr gehorchen musste als Menschen.
Einheit und Liebe regierten die Gemeinde, sodass niemand Mangel litt.
Der nächste Angriff kam von innen. Der Feind versuchte die Freigebigkeit der Jünger durch Unaufrichtigkeit und Heuchelei zu unterwandern, aber Gott griff auf gewaltige Weise ein und stoppte diesen Angriff.
Nachdem der Herr weiterhin mächtig unter dem Volk wirkte und die Gemeinde wuchs, kam wieder ein Angriff von außen. Die Apostel wurden eingesperrt, aber ein Engel befreite sie. Daraufhin wurden sie wieder vor den Hohen Rat zitiert, wieder wurde ihnen gedroht und sie wurden geschlagen.
Und hier, unmittelbar vor unserem heutigen Text, lesen wir die Reaktion auf diese Einschüchterungsversuche:
Apostelgeschichte 5,41–42 (NeÜ)
41 Die Apostel verließen den Hohen Rat und waren voller Freude, dass Gott sie gewürdigt hatte, für den Namen ihres Herrn so gedemütigt zu werden. 42 Sie hörten keinen Tag damit auf, im Tempel und in Privathäusern zu lehren und die erfreuliche Botschaft zu verkündigen, dass Jesus der Messias ist.
Und nun kommen wir zum heutigen Text, wo wir vom nächsten Angriff des Widersachers auf das Gedeihen der Gemeinde lesen. Diesmal kommt der wieder von innen und hat auch etwas mit materiellen Mitteln zu tun. Beim ersten Angriff von innen ging es um das (unlautere) Geben, bei diesem Angriff von innen geht es um die (ungerechte) Verteilung.
Fragen zum Text
Fragen zum Text
Apostelgeschichte 6,1–7
Was war die Ursache der Unruhe?
Die soziale Ungerechtigkeit: Die hellenistischen Witwen wurden bei der Verteilung der Hilfsgüter vernachlässigt.
Was ist vom Murren der Hellenisten zu halten?
Phil 2,14–15: Tut alles ohne Murren und Bedenken, damit ihr unsträflich und lauter seid, untadelige Kinder Gottes inmitten eines verdrehten und verkehrten Geschlechts, unter welchem ihr leuchtet als Lichter in der Welt.
1Kor 10,10: Murrt auch nicht, so wie auch etliche von ihnen murrten und durch den Verderber umgebracht wurden.
Besser wäre ein positiveres Ansprechen der Probleme gewesen, aber das Murren war nicht das Hauptproblem. Es löste sich auf, nachdem die Ursache des Murrens beseitigt war.
Wie reagierten die Apostel auf das Murren?
Sie anerkannten den Missstand.
Sie sahen, dass sie Teil des Problems waren: Die Gemeinde und damit auch die Anzahl der Witwen waren so stark gewachsen, dass dies ein logistisches Problem darstellte, die eingehenden Spenden zu verwalten und fair auf alle Bedürftigen zu verteilen. Sie kamen mit einer Lösung vor die Gemeinde.
Wie verstanden die Apostel ihren Auftrag?
Die Verkündigung und die Lehre waren der Kern ihres Auftrags - sie waren die vom Herrn Jesus eingesetzten Zeugen für sein Leben, seinen Tod und seine Auferstehung und Himmelfahrt. Aber dazu studierten sie auch bestimmt das Wort - in diesem Fall das AT - mit Jesus Christus als Schlüssel zum Verständnis.
Und das Gebet war ihre Verbindung zum Herrn. Sie hatten Johannes 15 verstanden: Nur wenn sie am Weinstock waren (die persönliche Gemeinschaft mit dem Herrn durch Gebet und Bewahrung seines Wortes), konnten sie geistlich lebendig sein und Frucht bringen. Daher mussten nun andere die Verteilung der Güter bzw. die Verantwortung dafür übernehmen, da die Apostel sonst an der Erfüllung ihres Auftrags gehindert würden.
Wie verstanden die Apostel ihre Führungsrolle?
Sie konnten Missstände eingestehen, an denen sie selbst einen Anteil hatten. Wenn das für die Apostel galt, wie viel mehr für alle anderen Männer und Frauen mit Leitungsverantwortung in der Gemeinde!
Sie planten die Lösung der Missstände, bezogen die Gemeinde aber aktiv ein. Sie vertrauten der Gemeinde, indem sie sie die Diakone auswählen ließ. Wir lesen nicht, dass sie danach noch ein “Hearing” mit den Kandidaten machten.
Die Fähigkeit zu Delegieren ist eine wesentliche Fähigkeit, die ein Leiter haben muss.
Aber sie übernahmen voll die Verantwortung für die ganze Sache, indem sie den von der Gemeinde ausgewählten Dienern die Hände auflegten. Sie identifizierten sich mit ihnen.
Warum sollten die Sozialarbeiter voll Heiligen Geistes und Weisheit sein?
Weil es um das Werk des Herrn geht.
Weil die soziale Ungerechtigkeit das Problem war und diesem geistlich und praktisch begegnet werden musste.
Es liegt eine Gefahr darin, begabte, aber nicht geistlich gesinnte Menschen mit Diensten im Werk des Herrn zu betrauen. Die Gemeinde ist keine Firma, jedenfalls nicht im weltlichen Sinn.
Was war die Folge der Einsetzung der Diakone?
Das Wort Gottes breitete sich aus, und die Zahl der Jünger mehrte sich sehr in Jerusalem. (1) Weil die Liebe wieder regierte und (2) weil die Apostel sich wieder voll dem Wort Gottes und dem Gebet widmen konnten. (3) Weil auch die Jünger wie z.B. Stephanus und Philippus evangelisierten.
Auch eine große Zahl von Priestern wurde dem Glauben gehorsam. Das wird in diesem Zusammenhang vielleicht deshalb extra erwähnt, weil die Religiösen nicht die ersten waren, die sich bekehrten, aber als sie das vollmächtige Wort und Wirken Gottes kamen, als sie die Liebe und die Einheit unter den Geschwistern sahen, kamen sie unter anderem durch dieses Zeugnis zum Glauben. Damit erfüllte sich, was Jesus in Joh 13,35 und in Joh 17,22-23.
Philipp Schaff, The Gospel of John and Acts:
Die von den Aposteln getroffenen Maßnahmen zur Wiederherstellung der Harmonie scheinen Wirkung gezeigt zu haben, und die Einführung der neuen Amtsträger in die Leitung war ein neues Element in der Gemeinschaft. Vollmächtige Lehrer, die in griechischen und hebräischen Schulen ausgebildet worden waren, predigten und lehrten nun Seite an Seite mit den Zwölfen und mit deren voller Zustimmung und bereiteten so den Weg für eine weitaus umfassendere Verkündigung der Lehren Jesu, als man es sich je hätte träumen lassen. Als erste Früchte ihrer breiteren und umfassenderen Lehre berichtet uns der Historiker der Apostelgeschichte, wie eine große Schar von Priestern dem Glauben gehorsam wurde.
Exkurs: Wie verstehst du die Formulierung: "eine große Zahl von Priestern wurde dem Glauben gehorsam"? Wie hängen Bekehrung, Glaube, Gehorsam und Werke zusammen?
Die Formulierung “wurden dem Glauben gehorsam” wird vielleicht hier für die Priester verwendet, weil sie als Konsequenz ihres Glaubens einen großen Gehorsamsschritt tun mussten. Sie mussten nämlich ihr altes Leben als Priester zurücklassen und sich eine neue Existenzgrundlage suchen. Sie wurden von Priestern des alten Bundes zum Priester des neuen Bundes.
Ein Glaube, der nicht zum Gehorsam führt, ist kein echter Glaube - siehe Jakobus 2.
Eine parallele Begebenheit im Alten Testament
Eine parallele Begebenheit im Alten Testament
Neh 5,1-5: Ganz ähnlich wie in Apg 6 drohten der geistliche Aufbruch und der Wiederaufbau Jerusalems durch innere soziale Unruhen aufgehalten zu werden. Auch hier gab es ein Geschrei über die soziale Ungerechtigkeit. Allerdings war diese hier deutlich schlimmer als in der Apostelgeschichte: Es gab nicht nur Vernachlässigung von sozialen Randgruppen, sondern es gab schlimme finanzielle Ausbeutung von Brüdern und Schwestern.
Neh 5,6-13: Nehemia wurde zornig, aber nicht über das Geschrei bzw. Murren sondern über die ursächlichen Missstände. Er hält den Verantwortlichen (den Vornehmsten und Vorstehern) eine Moralpredigt, so dass sie sich schämen musste. Er stellt ihnen sich und seine Brüder als selbstlose Vorbilder vor Augen. Er fordert Schuldenerlass und lässt sie ihre Zustimmung eidlich bekräftigen.
Nehemia 5,13 (SLT)
Auch schüttelte ich den Bausch meines Gewandes aus und sprach: So schüttle Gott jedermann von seinem Haus und von seinem Besitztum ab, der dies versprochen hat und nicht ausführt; ja, so werde er ausgeschüttelt und leer! Und die ganze Versammlung sprach: Amen! Und sie lobten den Herrn. Und das Volk handelte nach diesem Wort.
Es kam zu Einheit, Gotteslob und Gehorsam. Danach wird der Mauerbau vollendet.
Wir haben diese beiden prominenten Beispiele nicht umsonst im AT und im NT:
Gott ist ein Gott der Fairness, der sozialen Gerechtigkeit, der Barmherzigkeit, der Liebe, des Schuldenerlasses und er Vergebung.
Gottes Volk (im AT und im NT) muss diesbzgl. vorbildlich sein. Die Liebe muss das prägende Wesensmerkmal der Gläubigen sein.
1. Johannes 4,20–21 (SLT)
Wenn jemand sagt: »Ich liebe Gott«, und hasst doch seinen Bruder, so ist er ein Lügner; denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, wie kann der Gott lieben, den er nicht sieht? Und dieses Gebot haben wir von ihm, dass, wer Gott liebt, auch seinen Bruder lieben soll.
Gott wird nicht untätig zusehen, wenn sein Name durch Härte, Unbarmherzigkeit und Lieblosigkeit verunehrt wird. Jesus hat das in Gleichnissen sehr deutlich gemacht.
Der Feind bekommt durch Ungerechtigkeit und Lieblosigkeit den Fuß in Tür, sowohl in unserem persönlichen Leben als auch im Gemeindeleben, und er kann auf diese Weise viel Segen verhindern. Gerne dürfen wir predigen, theologisieren, beten, evangelisieren, spenden und alles Mögliche tun, solange wir streiten, böse Gedanken übereinander haben oder uns gegenseitig unfair und lieblos behandeln. Denn der Segen wird ausbleiben.
Die Witwen waren damals neben die Waisen die sozial Schwächsten. Wo sind bei uns die sozial Schwächsten? Das muss sich nicht durch materielle Not ausdrücken, es kann sich um seelische oder geistliche Not handeln. Ignorieren wir diese Randgruppen, schließen wir sie aus von der “Versorgung”, oder überlegen wir uns, wie wir sicherstellen können, dass sie nicht vernachlässigt werden. Die Gemeindeleiter haben dabei die übergeordnete Verantwortung, aber jedes Gemeindeglied muss sich diesbzgl. prüfen und kann sich einbringen.
Die Diakone
Die Diakone
Wayne Dehoney, „Acts“, in The teacher's Bible commentary :
Die sieben hatten den Auftrag, (a) Frieden zu stiften, den Bruch in der Gemeinschaft zu heilen, (b) den Dienst der Apostel zu stärken, indem sie sie vor Kritik abschirmten und sie von niederen Nebenaufgaben entlasteten, (c) als Unterhirten der Gemeinde zu fungieren. ...Sie waren geistlich gesinnte Diener der Gemeinde, die die Verkündigung und Lehre der Apostel unterstützten.
Die Sieben hatten durchwegs griechische Namen, was dafür sprach, dass sie gut geeignet waren, das Problem der Vernachlässigung der hellenistischen Witwen zu lösen. Einer war sogar ein Proselyt, d.h. ein Heide, der sich zum Judentum bekehrt hatte und danach zu Christus.
Der Name dieses Proselyten war Nikolaus. Die Kirchenväter berichten, dass die Sekte der Nikolaiten auf ihn zurückgeht:
Philipp Schaff, The Gospel of John and Acts:
Auf dem Andenken des Nikolaus ruht eine unglückliche Tradition, die von Irenäus, Epiphanius und anderen überliefert ist und die behauptet, dass dieser Nikolaus der Gründer der Sekte der Nikolaiten war, die in Off 2,6 und Off 2,15 mit solcher Strenge erwähnt wird. Vielleicht ist die wahre Version dieser Geschichte die Erzählung von Klemens von Alexandria, der sagt, dass Nikolaus selbst für die Reinheit seines Verhaltens berühmt war, dass er aber die unschuldige Ursache der Irrlehre war, die seinen Namen trägt, und die aus einer Verdrehung einiger Worte entstand, die er einmal geäußert hatte (siehe Eusebius, H. E. iii. 29).
Wir wissen nicht mit Sicherheit, ob Nikolaus oder einer seiner Nachfolger die Sekte der Nikolaiten gegründet hat, aber selbst wenn es so ist, braucht uns das nicht zu verstören. Einer der zwölf von Jesus auserwählten Jüngern war Judas, der ihn verriet. Warum sollte sich nicht einer der sieben von der Gemeinde gewählten und von den Aposteln eingesetzten Diakone später als Verführer entpuppen? Das ist die Realität des Reiches Gottes: Das Verdorbene ist da und breitet sich aus. Wir müssen damit rechnen, dass Verführer aus den eigenen Reihen auftreten werden. Jesus und die Autoren des NT haben davor gewarnt.
Unser Text bildet den historischen Hintergrund zur Einsetzung der Diakone, von der wir in 1Tim 3,8-13 lesen.
Die Frage ist, warum wir in unserer Gemeinde ausdrücklich benannte und eingesetzte Älteste haben, aber keine Diakone.
Dazu muss man sagen, dass in der Parallelstelle in Titus 1,5-9 nur von Ältesten und nicht von Diakonen die Rede ist. Auch unser Text weist darauf hin, dass eingesetzte Diakone nicht unbedingt nötig sind, sondern erst, wenn es die Größe der Gemeinde und der Arbeit notwendig machen.
In Philippi z.B. - und nur dort - werden die Diakone neben den Ältesten und den übrigen Heiligen angeschrieben:
Philipper 1,1 (SLT)
1 Paulus und Timotheus, Knechte Jesu Christi, an alle Heiligen in Christus Jesus, die in Philippi sind, samt den Aufsehern und Diakonen:
Manchmal - wie auch in unserer Gemeinde - gibt es Älteste, die auch sehr viel praktisch dienen. Und so war es auch am Anfang bei den Aposteln.
Wenn die Ältesten Brüdern oder Schwestern die Verantwortung für praktische Bereiche (Kassa, Küche, Putzdienst, …) übergeben, dann kommt das der Einsetzung von Diakonen nahe. Je größer eine Gemeinde, desto eher ist es wohl nötig, dies durch eine offizielle Einsetzung zu tun.
Können auch Frauen Diakone sein? Röm 16,1, wo Phöbe als Dienerin der Versammlung in Kenchräa erwähnt wird, spricht dafür. Ebenso wie die Tatsache, dass die Frauen in 1Tim 3 bei den Diakonen erwähnt werden, nicht aber bei den Ältesten.
Dass sowohl Älteste als auch Diakone mit Handauflegung eingesetzt werden, zeigt, dass die Verantwortung für praktische Dienste auch eine wichtige, geistliche Verantwortung ist, die über Gelingen oder Niederlagen in der Gemeinde entscheiden kann, wie wir in den beiden Beispielen bei Nehemia und in der Apostelgeschichte gesehen haben.
Schluss
Schluss
Lasst uns diejenigen, die in der Gemeinde dienen - egal ob Älteste oder nicht -, in Ehren halten, für sie beten und auch selbst unseren Platz im Dienst in der Gemeinde finden. Und lasst und diesen mit großer Gewissenhaftigkeit vor dem Herrn ausführen.
Wir sind dabei - Gott sei Dank - nicht auf uns selbst gestellt, sondern wir dürfen dies mittels der Gaben, der Gnade, der Weisheit und der Kraft tun, die der Herr seinen Dienern bereitstellt.
Und noch einmal: Lasst uns einander in Liebe dienen und nicht dulden, dass sich Lieblosigkeit in der Gemeinde breit macht.